Der Einschwingvorgang einer Übertragungsleitung im Detail

Auf einer HF-Übertragungsleitung laufen in der Regel zwei Wellenpaare hin und zurück. Im Strom-Spannungs Modell sind das das Paar hin- und rücklaufender Strom- bzw. hin- und rücklaufende Spannungswelle. Strom und Spannung sind aber jeweils über den Wellenwiderstand der Leirtung fest miteinander verknüpft, so daß es genügt nur eine der beiden Wellen eines Paares zu untersuchen. Die jeweils andere ist dadurch eindeutig festgelegt.

In meinen beiden Vorgängerartikeln habe ich herausgearbeitet, daß nicht nur eine fehlangepaßte Last, sondern auch der Zustand am Leitungseingang einen wesentlichen Einfluß auf den eingeschwungenen Zustand hat. Die dabei gewonnenen Beziehungen kann man verwenden, um den Einschwingvorgang zu modellieren. Wie in “Eingeschwungener Zustand am Senderausgang” beschrieben, läuft die hinlaufende Welle zum Lastende, wird dort ggf. reflektiert, läuft zurück und beeinflußt dann den Zustand am Leitungseingang. Daraus ergibt sich im Allgemeinen eine geänderte hinlaufende Welle …

Dieses Modell läßt sich recht einfach in einer Tabellenkalkulation abbilden. Einzig das Rechnen mit Komplexen Zahlen ist ein wenig unübersichtlich - aber nicht weiter schwierig. Das entsprechende Kalkulationsblatt findet sich hier. Es ist mit Open Office erstellt, aber im xls-Format abgespeichert, so daß das erste Blatt auch von Excel geöffnet werden kann. Hier kann man mit verschiedenen Eingangs und Lastimpedanzen sowie verschiedenen Laufzeiten der Leitung spielen. Später habe ich dann entdeckt, daß Open-Office-Calc auch komplexe Zahlen beherrscht. Sheet 2 und 3 arbeiten damit und sind mit Excel leider nicht verwendbar.

Kurzgeschlossene Lambda-Viertel-Leitung an niederohmigem Sender

Betreibt man eine kurzgeschlossene Lambda Viertel-Leitung mit einem Wellenwiderstand von 50 Ohm an einem Sender mit einem Innenwiderstand von 7 Ohm, dann sieht man für zwei Laufzeiten einen Überschwinger von etwa 10% über der Generatorspannung am Leitungseingang!

Kurzgeschlossene n-Lambda Leitung an niederohmigem Sender

Bei meinen “Spielereien” fiel mir auf, daß die hin- und rücklaufenden Spannungen unter gewissen Umständen sehr groß werden können. Normalerweise kann man diese aber nicht direkt messen und in der Überlagerung heben sie sich auf. Was aber wenn man im eingeschwungenen Zustand einfach die Spielregeln ändert? Wenn man über schnelle Schalter die Leitung dann mit dem an den Wellenwiderstand der Leitung angepaßten Impedanzen abschließt?

Einen dieser Fälle habe ich exemplarisch simuliert: Ein Sender mit einem sehr kleinen Innenwiderstand von 1 Ohm treibt eine kurzgeschlossene Übertragungsleitung der Länge 10 Periodendauern des Senders mit dem Wellenwiderstand 50 Ohm. Im eingeschwungenen Zustand stellt sich am Leitungseingang ein virtueller Kurzschluß ein, aber das System nähert sich diesem Zustand nur sehr langsam - es braucht etwa 100 Laufzeiten der Leitung. Während dieser Zeit laufen die hin- und rücklaufenden Wellen auf das 25 fache der Eingangsspannung hoch.

Wenn man nun die Leitung an beiden Enden korrekt abschließt, kann man diese Wellen aber direkt beobachten. Während der Laufzeit der Leitung liefert die Leitung eine Spannung von 25V. Nicht nur die Theorie sagt das, sondern auch eine entsprechende Simulation mit LTSpice, die ich sicherheitshalber gemacht habe:

Schalplan Schalplan Der Schaltplan der verwendeten Simulation.

Aufladdung Aufladdung Man sieht sehr schön wie sich die Eingangsspannung dem stationären Zustand entgegen quält. In der vertikalen Achse ist der Maßstab schon gestreckt, so daß der Entladevorgang abgeschnitten wurde!

Aufladung Zoom Aufladung Zoom Hier der Entladevorgang nochmal gezoomt. Man beachte die Amplitude von 20 V, die sich aus einer Eingangsspannung von nur einem Volt ergab!

Dieser Effekt sollte sich also zur Erzeugung von sehr energiereichen Impulsen (bei allerdings moderater Impulsrate) verwenden lassen.

© Matthias Leonhardt - DJ1ML, 2011

Links/Quellen

Versionshistorie

1.0.0 17.08.2011 Erste Fassung